Verteidigungsministerin und Milizbeauftragter unter Druck

Befreiungsschlag von Tanner und Hameseder

Angriff ist die beste Verteidigung: Um sein ins Wackeln geratenes Amt als Milizbeauftragter des Bundesheeres nicht zu verlieren, trat Generalmajor Erwin Hameseder nun die Flucht nach vorn an und sprach sich am Donnerstagmittag im ORF-Mittagsjournal klar für eine Verlängerung des Wehrdienstes und für die Wiedereinführung verpflichtender Wehrübungen aus.

Dieses klare öffentliche Bekenntnis von ihm kommt überraschend. Denn noch bei den Regierungsbildungsgesprächen, in denen der Generalmajor das Kapitel Landesverteidigung für die ÖVP mitverhandelte, habe er davon nichts gesagt, wie die beiden Repräsentanten der Milizverbände, Bernd Huber und Michael Schaffer, in ihrem offenen Brief durchblicken lassen (das Einsatz-Magazin berichtete).

Zwar geben die beiden Milizionäre zu, dass Hameseder auch in der Vergangenheit und im Kameradenkreis den verpflichtenden Wehrübungen stets das Wort geredet hätte, letztlich aber nie wirklich etwas dafür unternahm, weshalb sie nun auch seinen Rücktritt vom Amt des Milizbeauftragten gefordert haben.

Doch Hameseders Schuld allein ist es nicht, dass die Miliz schon seit Jahren vernachlässigt wird. Auch Ministerin Klaudia Tanner begnügt sich mit einer kleinen Phalanx an freiwillig übenden Milizionären, die aber im Ernstfall kaum etwas ausrichten würden, wie nicht nur Huber und Schaffer konstatieren. Deshalb müssen verpflichtende Übungen ein integraler Bestandteil der Wehrpflicht sein.

Doch wer glaubt, dass diese ohnehin längst bekannte Tatsache mit Hameseders jüngstem öffentlichen Eintreten für verpflichtende Milizübungen nun schon bald Rechnung getragen werden wird, der irrt. Denn nach guter alter österreichischer Art setzt Tanner zunächst einmal „eine Expertengruppe unter Einbindung aller Steakholder ein“, wie sie in einem Interview mit der „Presse“ erklärte. Darunter würden auch Wirtschaftsfachleute sein, die nach Alternativmodellen suchen sollen, damit künftig mehr geübt werden könne.

Bis Herbst soll schon ein Modell vorliegen, bis Ende des Jahres soll es umgesetzt sein, wie Fritz Dittlbacher im Mittagsjournal verkündete, der darin auch Erwin Hameseder als Tanners „engsten Berater“ bezeichnete

Dass die Wirtschaft erst jetzt ins Boot geholt wird, dürfte Huber und Schaffer freilich verwundern. Denn ihrer Auffassung nach hätte Generalmajor Hameseder, der in seinem Zivilberuf auch Raiffeisenbanker ist, schon genügend Zeit und Kontakte gehabt, die Wirtschaft davon zu überzeugen, dass sie selbst am meisten von einer funktionierenden Landesverteidigung profitieren würde.

Doch es ist noch nicht zu spät, heißt es, auch was die mögliche Verlängerung des Wehrdienstes betrifft. Denn in der neuen Expertenkommission ist natürlich auch Tanners „engster Berater“ damit befasst, eine Lösung zu finden, wie die Ministerin im „Kurier“-Interview erklärte.

Ihren weiteren Worten zufolge hätte dies alles auch schon längst erledigt sein können, hätten dies jene aktuellen „Schreier aus dem blauen Eck“ gemacht, als sie noch in Verantwortung waren. Falls Tanner damit die Bundesheer-Ära unter Verteidigungsminister Mario Kunasek meinen sollte, so darf dazu angemerkt werden, dass dieser nur von 2017 bis 2019 im Amt war. Sie hingegen fungiert als Verteidigungsministerin bereits fünf Jahre.

Warum also, so fragen sich Militär- und Politikexperten, sollte nun bis Weihnachten erledigt sein, was in den vorangegangenen 60 Monaten nicht möglich war? Auch wegen der derzeitigen volatilen Regierungskoalition dürfte dem im ORF-Mittagsjournal verkündeten Vorhaben von Tanner und Hameseder kaum ein Erfolg beschieden sein.

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